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Ein Vogel mit Schlafstörung flattert durchs Studio

Duo "Latinos Clássicos" begeistert mit europäischer und brasilianischer Musik

Ein Vogel mit Schlafstörung flattert durchs Studio

Mateus Dela Fonte (links) und Vítor Diniz - beide in Deutschland lebend und aus Brasilien stammend - musizieren seit rund zehn Jahren gemeinsam GB-Foto: Bäuerle

Zum Auftakt stimmten die beiden Musiker bekannte Werke an, Johann Sebastian Bachs "Largo" aus dem Konzert für Oboe BWV 1056 erklang dabei beschwingt, leicht und dennoch neu. Die Besetzung Flöte und Gitarre bildet die Urbesetzung des sogenannten Choro, des wichtigsten brasilianischen Instrumentalstils. Seinen Ursprung hat dieser, so verrieten die beiden Musiker, in den 1840er Jahren, als die Polka von Europa kommend nach Brasilien gewandert war und sich dort enormer Beliebtheit erfreute. Die Mittelschicht interpretierte die europäischen Tänze mit ihren Flöten und Gitarren auf die ihnen eigene Weise, "sie haben die europäischen Tänze verbrasilianisiert". Besonders deutlich wurde dies beispielsweise bei den Variationen über "Folies d'Espagne" des Komponisten Marin Marais. Der im 17. Jahrhundert geborene Franzose orientierte sich mit seinem Werk an einem wilden und feurigen portugiesischen Straßentanz, dessen Reise über Spanien und Italien an den französischen Hof Louis XIV. führte, an dem er "gezähmt" wurde - "wir haben den feurigen Ursprung aber nicht vergessen". Herausgekommen ist eine Symbiose des Temperaments der iberischen Halbinsel mit langsamen, getragenen Passagen, die an einen Schreittanz erinnern - virtuos interpretiert von den beiden Brasilianern, deren Fingerfertigkeit das Publikum während des gesamten Programms in Erstaunen versetzte.

Auf das kurze europäische Intermezzo folgte bald der Sprung über den Atlantik. Durch den Choro wurde die Verbindung indes musikalisch gehalten. Die von Dante Santoro komponierte "Harmonia Selvagem", die "Wilde Harmonie", gab dem Programm seinen Namen. "Wilde" bezieht sich dabei auf die Wildnis selbst. Die Tiere des Walds werden innerhalb des Werks musikalisch präsentiert, für besondere Erheiterung sorgte dabei der von Dela Fonte und Diniz eingeführte "Vogel mit Schlafstörung", der sich wiederholt unter das Thema mischte.

Eben diese Lebensfreude ist es, die das Duo "Latinos Clássicos" ausmacht und deren Funke innerhalb kürzester Zeit auf das Publikum übersprang. Heitere und leichte Weisen zogen sich durch das Konzert, mit augenzwinkernden Anmerkungen der beiden Musiker versehen. Gewürzt wurde das Programm mit unbekannten und exotisch anmutenden Klängen, Heitor Villa-Lobos' "Distribuição de Flores", zu Deutsch "Blumenverteilung", etwa zauberte das Bild eines Indianerstamms vor das innere Auge. Trommeln, Regentropfen, dunkle und fremd anmutende Flötenklänge entführten in die Ursprünglichkeit des brasilianischen Regenwaldes.

"Chovendo na Roseira" von Tom Jobim imitierte ebenfalls musikalisch überzeugend den Regen, dessen Tropfen sanft über einen Rosengarten fallen, gefühlvoll angestimmt von Dela Fontes Gitarrenspiel. Brasilianische Tänze gaben den Grundrhythmus der beiden letzten Darbietungen des Programms vor, die noch einmal die perfekte Harmonie zwischen Gitarre und Flöte anklingen ließen. Vítor Diniz' und Mateus Dela Fontes Spiel begeisterte das Publikum derart, dass die Forderung nach gleich zwei Zugaben nicht lange auf sich warten ließ. Hatte der Abend mit Bach begonnen, schloss er mit einer Hommage an den berühmten Komponisten, durchzogen von den musikalischen Klängen Brasiliens. 

Gäubote 26.03.2019           Christiane Hornung

 

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