Pressestimmen
Hochkarätiges der Musikliteratur
Konzert mit Heiko Nonaka, Hrayr Atshemyan und Harald Streicher
Eine der größten Herausforderungen, vor die sich ein Violinist selbst stellen kann, ist die, mit seiner Geige allein und einem einzelnen Satz aus einer Solo-Sonate oder -Partita von Johann Sebastian Bach vor Publikum zu treten und ein Konzert zu eröffnen. Eben diese scheut der aus Armenien stammende Hrayr Atshemyan nicht. In der Sarabande aus der Partita in d-Moll BWV 1004 gibt es keine Schminke und keinen Kleister, mit denen irgendetwas geschminkt, geschönt oder aufgepeppt werden kann.
Hier ist der Musiker allein mit diesem Satz, der nur vom Ton des Instruments, was aber keinesfalls nur zum Baden im Wohlklang verleiten darf, der klaren Form, die es zu füllen gilt, und nicht zuletzt mit dem Bach'schen Genie, das sich hier völlig unprätentiös manifestiert, und dessen Intension es nachzuvollziehen und dem Publikum zu vermitteln gilt.
Auch die Humoresquen Opus 87, Nr. 1 und Opus 89, Nr. 2 sind keine Stücke, die leicht mit Leben zu füllen sind, hier allerdings ist Wohlklang gefragt in melodiösen Phrasen, die in apartem Kontrast zu nordisch-tänzerischen Passagen und im Wechselspiel mit dem Orchesterpart stehen, den Harald Streicher bei diesem Konzert am Flügel übernimmt. Claude Debussys Violinsonate in g-Moll, die der Komponist schon schwer an Krebs erkrankt 1917 mitten im Ersten Weltkrieg nur unter großen physischen Mühen fertigstellte, ist ebenfalls kein Werk, das sich leicht erschließt. Alles hängt von den Interpreten jeweils gewählten Klangfarben ab, von der Abstimmung im Zusammenspiel, was letztendlich darüber entscheidet, ob sich die wie Fetzen verteilten Phrasen der Sätze "Allegro vivo - Interméde, fantastique et léger - Finale, trés animé" zu einem großen Ganzen verbinden.
Schon auf den ersten Blick kann die Cello-Sonate in g-Moll, Opus 19 von Sergei Rachmaninow, mit der Heiko Nonaka und Harald Streicher die zweite Hälfte des Konzerts bestreiten, die Nähe zum zweiten Klavierkonzert des Komponisten nicht verleugnen, was nicht von ungefähr kommt. Nachdem Rachmaninow 1897 mit vernichtenden Kritiken für seine erste Sinfonie überschüttet worden war, verfiel er in eine schwere Depression, aus der ihn der russische Psychiater Nicolai Dahl mit Hilfe einer damals neuartigen Hypnosetherapie befreite, woraufhin dem Komponisten der Geniestreich seines zweiten Klavierkonzerts gelang. Seinem Therapeuten und begeisterten Hobby-Cellisten schrieb er zum Dank eben diese Sonate, in der alle Virtuosität aber niemals zum Selbstzweck verkommt und überaus gekonnt und mit viel Geschick in den harmonischen und melodischen Reichtum des musikalischen Geschehens eingearbeitet wurde.
Vom Beginn des ersten Satzes "Lento-Allegro moderato" zeigt der Cellist Heiko Nonaka mit der Unterstützung von Harald Streicher am Klavier ein gutes Gespür für den großen Bogen, den weiten Atem und den vollen Klang, sowie die gesanglichen Abschnitte des Werks, das im Grunde wie ein kammermusikalisches Kondensat größer konzipierter Kompositionen Rachmaninows anmutet. Über weitere drei Sätze (Allegro scherzando, Andante und Allegro mosso) reicht dieser Streifzug, nicht nur durch den Einfallsreichtum des Komponisten, sondern vielmehr auch durch die Weite und die Vielschichtigkeit seines Heimatlandes und dessen Kultur, die jede einzelne Note verströmt, und die gleichermaßen Nährboden und Rohstoff für Rachmaninows Musik überhaupt waren.
Nach reichlich Applaus vereinen sich die drei Musiker zu einem Trio und bedanken sich bei ihrem Publikum im Studio der Musikschule Herrenberg mit dem "Herbst" aus den "Vier Jahreszeiten" von Astor Piazzolla.
Gäubote, 23. Oktober 2017, Nicola Hollenbach