Pressestimmen
Hommage an Adolphe Sax
Herrenberg: Das Darmstädter Saxophon Quartett ist zu Gast in der Musikschule
Hommage an Adolphe Sax
Kennengelernt haben sich die vier während des Studiums an der Johann-Gutenberg-Universität in Mainz in der Klasse von Linda Bangs-Urban, die schon im Oktober an der Volkshochschule in Herrenberg einen Vortrag über Adolphe Sax und sein Saxofon gehalten hatte und es sich nun nicht nehmen ließ, dem Konzert "ihrer Kinder" in der Musikschule beizuwohnen. Aufräumen wollen die Saxofonisten mit dem Vorurteil, das Instrument tauge vorwiegend für den Jazz.
Gute Substanz verträgt so manchen Umbau. Was für die Baubranche gilt, trifft hier auf das Concerto Nr. 2 BWV 593 von Johann Sebastian Bach zu. Einst vom Komponisten für die Orgel gedacht, erklingt das Werk hier in einer Version für Sopran- (Sabine Hoppe), Alt- (Stefan Schneider), Tenor- (Raphael Wolf) und Baritonsaxofon (Carsten Vinson). Zunächst verblüfft der ungewohnte Instrumentenklang zu vertrauten Bachschen Tönen. Man staunt im ersten Satz ob lebendiger kammermusikalischer Dynamik, um aber spätestens im zweiten den gesanglichen musikalischen Bogen zu vermissen, der dritte dann bekommt gar einen leicht etüdenhaften Charakter, der dem Original gemeinhin nicht anhaftet.
Ganz anders das "Premier Quatuor", Opus 53 des Belgiers Jean Baptiste Singelée. Wie der Konzertbesucher in der kurzweiligen Moderation Stefan Schneiders erfährt, war der Komponist aufs Engste mit Adolphe Sax befreundet, den er aus der gemeinsamen Zeit am Royal Conservatoire in Brüssel kannte. Singelée ermutigte Sax beständig, das Saxofon in verschiedenen Stimmlagen zu bauen, unter anderem durch sein Bekunden, dann auch Musik für eine solche Besetzung schreiben zu wollen. Dieses Versprechen löste er ein, so entstand ein amüsant-süffiges Quartett, beinahe szenisch, romantisch, ohne ins Salonhafte abzugleiten. Hier können sich die verschiedenen Stimmen in vier Sätzen unterschiedlichster Couleur aufs Trefflichste entfalten, allen klanglichen Besonderheiten sowie den Möglichkeiten des Instruments wird darin Rechnung getragen.
Frisch und witzig
Auch das "Petit Quatuor pour Saxophones" erfüllt alle Wünsche, die man an ein Stück für diese Besetzung haben mag. Frisch und witzig musiziert der erste Satz "Gaguenardise", der zweite "Cantiléne" könnte in seinem fast malerisch düsteren Charakter auch mit "Bonjour Tristesse" überschrieben sein, der dritte "Sérenade comique" eine fröhliche Verabschiedung in die Pause.
In den in diesem Konzert aufgeführten Sätzen I und IV aus seinem "Saxophone Quartet" setzt der amerikanische Komponist Philip Glass sehr auf motorische, beinahe nervtötende Wiederholungen einzelner Sequenzen, aalt sich nicht gerade in Tonschönheit. Dem Hörer drängt sich die Vermutung auf, Glass habe seine Inspiration zu diesem Werk aus Eindrücken, die er anlässlich eines Besuchs in einer Fabrikhalle gewonnen haben könnte, gezogen.
Das Risiko, sehr Bekanntes und ursprünglich definitiv nicht für ihr Instrument Erdachtes in Angriff zu nehmen, gehen die Musiker im letzten Teil des Konzerts ein. Drei Stücke aus Astor Piazzollas "La histoire du Tango", der Meister des stilisierten argentinischen Tangos schrieb diese im Original für Flöte und Gitarre, spielt das Darmstädter Ensemble nun in einer Bearbeitung für Saxofon-Quartett: "Bordel 1900", "Café 1930" und "Night Club 1960". Was macht Piazzollas Musik aus? Scharfe Rhythmen, individuelle Harmonik und ein ganz persönlicher Klang, der es versteht wie nichts anderes, Menschen auf der ganzen Welt einen Hauch von Argentinien, seiner Lebensfreude und seinem Weltschmerz nahezubringen. Einige Uminstrumentierungen hat diese Komposition Piazzollas bislang erfahren, doch bleibt zum Abschluss des durchaus viele interessante Einblicke in die Welt des Saxofons gewährenden Konzerts die Frage erlaubt, ob wirklich jedes Werk für jedes Instrument zu arrangieren ist.
Für den begeisterten Applaus im voll besetzten Studio der Musikschule Herrenberg bedanken sich die Musiker des Abends mit einer locker-flockigen Zugabe des Komponisten Heiner Wiberny, "Ulla in Afrika".
Nicola Hollenbach, Gäubote, 17.11.2015