Pressestimmen

Mit ganzem Körpereinsatz am Instrument

Mit ganzem Körpereinsatz am Instrument

Dr. Daniel Scholz vom Institut für Musikermedizin Hannover. GB-Foto: Vecsey

„Für uns ist der Aktionstag auch ein Test, ob so etwas gut angenommen wird und in Zukunft wieder stattfindet“, erklärt Ulrike Goldau. 2018 erhielt die Herrenberger Musikschule das Prädikat „Gesunde Musikschule“. Das Thema, gesund zu musizieren, sei sehr wichtig für Lehrkräfte und Schüler, betont die Leiterin. Haltungsschäden, die sich etwa durch das Spiel einer Querflöte oder Violine ergeben können, sollten gezielt Beachtung erfahren und, wo nötig, gezielt entgegengesteuert werden. „Es ist wichtig, dass Lehrer dies wissen“, ergänzt Ulrike Goldau. In Herrenberg verfügt über die hierfür notwendige Kenntnis zuvorderst Monika Nagel-Weitz, die eigens als Mentorin für das gesunde Musizieren ausgebildet wurde. Seither vermittelt die Querflöten-Lehrerin sowohl den Pädagogen der Musikschule als auch den Schülern wertvolles Wissen sowie Techniken rund um die Thematik. Dies geschieht beispielsweise im Rahmen der Lehrerkonferenzen, die seither durch eine aktive Einheit ergänzt werden, innerhalb derer Monika Nagel-Weitz ihr Übungsrepertoire mit den Lehrkräften teilt. „Die Übungen selbst sind nicht wahnsinnig komplex, aber bei Musikern ist es oft noch so, dass das Aufwärmen vergessen wird“, erläutert Ulrike Goldau. Des Weiteren profitierte etwa das Jugendsinfonieorchester während des Probenwochenendes von Monika Nagel-Weitz.

Neben Monika Nagel-Weitz konnte mit Dr. rer. nat. Daniel Scholz dabei ein Dozent für den Aktionstag gewonnen werden, dessen musikalischer Werdegang selbst zehn Jahre lang an der Herrenberger Musikschule reifte. Zwischen den Jahren 1993 und 2003 ließ sich der Diplom-Psychologe, der zudem einen Bachelor-Titel in Jazz-Komposition führt, in der klassischen sowie der Jazz-Gitarre ausbilden und belegte obendrein noch Gesangsstunden. Gegenwärtig arbeitet er am Institut für Musikerphysiologie und Musikermedizin in Hannover.

„Das Gehirn passt sich an durch Lernen“, so Daniel Scholz in seinem ersten Vortrag zur Neurophysiologie des Musizierens. Die Musik stellt dabei einen „extrem umfassenden Reiz“ dar, der das Lernen durch die Beanspruchung aller Sinne „extrem gut befördert“. Dabei kann die Musik nicht zuletzt auch eine heilende Wirkung entfalten, etwa in der Therapie von Schlaganfallpatienten. „Wir haben eine Therapie entwickelt, die es sich zunütze macht, dass Musik ein allumfassender Stimulus ist“, erläutert Daniel Scholz. Darüber hinaus informierte der Diplom-Psychologe in einer praktischen Einheit über Atemübungen und die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, die sich wiederum positiv auf die Behandlung von Lampenfieber auswirken kann. Bei der Muskelrelaxation handelt es sich „im Prinzip um Entspannungsübungen“, diese können in Kombination mit Atemübungen dafür sorgen, einem Auftritt gelassen entgegenzusehen. Gut ein halbes Jahr der regelmäßigen Übung bedarf es, ehe die Musiker die Techniken bewusst einsetzen können, um sich schließlich ohne Lampenfieber der musikalischen Präsentation zu widmen.

Monika Nagel-Weitz indes ließ die Teilnehmer ihres Vortrags gleich zu Beginn von den Stühlen aufstehen, im Folgenden widmete sich die Gruppe im Studio der Musikschule der Arbeit mit dem eigenen Körper. Unter ihrer Anleitung wurden Dehn- und Bewegungsübungen für die einzelnen Instrumentengruppen erprobt. Ein einleitender „Body-Check“ schulte dabei bewusst die Wahrnehmung des Körpers, denn, „der Körper ist bei allen Musikern das Instrument, nicht nur bei den Sängern“.

Neben der Anleitung zum bewussten Einsatz von Bewegungen vermittelte Monika Nagel-Weitz darüber hinaus auch eine reichhaltige Bildsprache, die, bewusst eingesetzt, gezielt bestimmte Haltungen fördern kann. Ein Faden am Hinterkopf etwa sorgte gemeinsam mit der Vorstellung tiefer Wurzeln, die den Körper mit dem Boden verankern, für eine aufrechte Haltung. Aktiv erspürt wurde die „Verwurzelung“ indes auch beim „Schaukelstuhl“, hinter dem sich eine bewusste Gewichtsverlagerung sowie Wahrnehmung der eigenen Körpermitte verbirgt. Die „fliegenden Arme“ indes mobilisieren den Rücken, denn dieser „liebt Drehbewegungen“, während die „liegenden Achter“ auch koordinative Anforderungen stellen. „Sie verbinden rechts und links und somit beide Gehirnhälften“, hielt Monika Nagel-Weitz ihre Teilnehmer dazu an, nicht nur den musizierenden Körper, sondern auch den Geist wachzuhalten.

 

Gäubote 12. November 2019                                     Christiane Hornung

 

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