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Musikstücke mit großer Strahlkraft

Musikstücke mit großer Strahlkraft

Harald Streicher lieferte dem Publikum im Studio der Musikschule ein abwechslungsreiches Konzert GB-Foto: Holom

Hoch konzentriert und mit allen Sinnen ganz in die Musik versunken – während die Finger über die Tasten glitten und dem Instrument Beethovens intendiertes Feuerwerk an Klängen entlockten, waren auch Körper und Mimik ganz dem Fluss der Musik hingegeben – gelang es dem Interpreten, sowohl den Übermut als auch die Eleganz dieser meisterhaft komponierten, ausgesprochen spannenden Sonate herauszuarbeiten. Von Kritikerpapst Joachim Kaiser einst als eines der pointiertesten und witzigsten Werke des Komponisten charakterisiert, verzückt die Sonate mit ihrer schieren kreativen Spielfreude.

Im ersten Satz, „Allegro vivace“, verschafft sie sich mit synkopischen Schwebungen, Kaskaden im Sechzehntel-Rhythmus und hoher Dynamik Raum, der zweite Satz, „Adagio grazioso“, erfreut mit gefühlvollen, mit Trillern und Stakkato pointierten Melodie-Figuren und der dritte Satz, „Rondo Allegretto“, spielt auf hochinteressante Weise mit dem Rondo-Motiv. Pathos und spielerische Leichtigkeit liegen nah beieinander, überraschende Wendungen und Pointen lassen kein Abflauen des gebannten Hörinteresses zu.

Ganz anders Maurice Ravels zwischen 1903 und 1905 komponierte „Sonatine pour piano“, deren erster Satz, „Modéré“, vergleichsweise ruhig dahinfloss. Klar und getragen, mit liedhaftem Duktus gibt er den Auftakt zum „Mouvement de Menuet“ im zweiten Satz, das an einen langsamen Tanz erinnert, bei dem die Partner bedacht die Füße setzen. Mit dem energetisch-furiosen dritten Satz „Animé“ endet die Sonatine sehr dynamisch.

Getragen und würdevoll ging es nach der Pause mit einem frühen Werk des Komponisten, der „Pavane pour une infante defunte“, weiter. In diesem kurzen impressionistischen Stück nutzt Ravel die Form des höfischen Schreittanzes gekonnt als Ausdruck verhaltener Trauer. Harald Streicher gelang es in den beiden Stücken, die moderne Harmonik und subtilen Klangfarben von Ravels minutiös konstruierten Kompositionen herauszuarbeiten.

Hatte das Konzert gleich zu Beginn mit Beethovens Sonate einen eindrucksvollen Höhepunkt, so endete es gleich mit vier Glanzpunkten: den vier Balladen von Frédéric Chopin.

Dramaturgisch auf höchstem Niveau erzählen diese hoch konzentrierten, klanglich und formal ausgesprochen expressiven Musikstücke Geschichten: Ohne Worte, dafür mit einer Spannung, die sich bis zur fulminanten Coda stetig steigert. Die erste Ballade, Opus 23 in g-Moll, hat Robert Schumann als eine von Chopins „wildesten, eigentümlichsten Kompositionen“ bezeichnet. Harald Streicher wird ihr gerecht, sowohl in ihren ruhigen, fast schon zarten als auch in den chaotischen Passagen.

Die zweite, Schumann gewidmete Ballade op. 38 in F-Dur, beginnt in pastoraler Harmonie, doch löst sich das Liedhafte immer wieder in schnellen, wilden Läufen auf und endet schließlich unerwartet mit ganz leisen Tönen. Dunkel und emotional beginnt Ballade No. 3 op. 47, deren Stimmung über weite Strecken heller ist als die der anderen Balladen.

Elegant und glänzend erstrahlt schließlich die vierte Ballade, opus 52 in f-Moll, die Chopin der Baronin Charlotte de Rothschild widmete und die wohl die komplexeste der vier Werke dieser Gattung darstellt. Ein würdiger Konzertabschluss, der dem Pianisten, der das Stück hervorragend interpretierte, tosenden Applaus einbrachte. Der ließ sich nicht lange bitten und spielte dem dankbaren Publikum noch zwei Zugaben, die nochmals ganz andere Klangnoten zum Tragen brachten: „Golliwogs Cakewalk“ von Claude Debussy, das für einen beschwingten Heimweg sorgen sollte und einen spanischen Tanz von Enrique Granados.

 

Gäubote 19. November 2019                                       Jutta Krause

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