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Ohne Üben kein Musizieren

Ohne Üben kein Musizieren

Digitaler Fernunterricht via Skype: Waltraud Epple-Holom beim Blockflötenunterricht mit Schülerin Vera GB-Foto: Holom

„Wir machen sehr interessante Erfahrungen“, sagt Goldau. „Die Lehrer nehmen beim Video-Unterricht auch das Umfeld wahr, in dem ihre Schüler üben, sie sehen, ob das Kind dabei vielleicht eine falsche Haltung einnimmt, und können dies dann auf ganz andere Weise zur Sprache bringen.“ Der Video-Chat ist nur eines der Medien, mit denen die Herrenberger Musikschule nun arbeitet. „Wir haben auch E-Mail, verschiedene Arten von Sprachnachrichten, Arbeitsblätter“, sagt Ulrike Goldau. „Unsere Lehrer versuchen, gemeinsam mit Schülern und Eltern ein Medium zu wählen.“ Die Musikschule unterrichtet auch ältere Schüler, Erwachsene, Senioren, bietet eine musikalische Früherziehung – das deutliche Gros ihrer Schüler jedoch ist schulpflichtig, was natürlich auch für die Musikschule verpflichtend ist. Für Ulrike Goldau ist dies ein sehr wichtiger Punkt: „Wir sind für unsere Schüler, ihre Eltern und Erziehungsberechtigten da, wir bemühen uns, ein alternatives Unterrichtsangebot aufrechtzuerhalten. In einer Zeit, in der die Kinder keine andere feste Struktur haben, ist das von unserer Seite aus auch eine wichtige Unterstützung für die Familien. Der normale Schulalltag findet nicht mehr statt – aber wir sind da und können ihnen diese Struktur geben.“

An der Herrenberger Musikschule unterrichten etwa 40 vorwiegend fest angestellte Lehrkräfte etwa 1500 Schüler. Nicht alle von ihnen erhalten ihren Unterricht in den Räumen der Musikschule; Kooperationen mit Schulen und Kindergärten spielen eine wichtige Rolle. Manch eines dieser Modelle muss nun, Corona halber, aussetzen. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Kindergärten ist erschwert, denn die Kindergärten sind geschlossen – aber auch hier gibt es Lösungen: „Lehrkräfte haben Arbeitsmaterial zusammengestellt und es über die Elternbeiräte der Kindergärten verteilt“, sagt Ulrike Goldau, „und sie denken bereits nach über pädagogische Konzepte für die Zeit nach Corona.“ Die Herrenberger Musiklehrer haben Ideen, an denen sie arbeiten.

Selbst eine Probe im Ensemble kann Ulrike Goldau sich auf digitalem Wege vorstellen – „Entsprechende Software für Konferenzen ist ja verfügbar. Jeder Lehrer macht das anders, und gerade die jüngsten Schüler sind ja manchmal sehr fit an den Computern. Natürlich ist es auch Aufgabe der Eltern, sie dort richtig einzubinden. Man muss immer nach individuellen Lösungen suchen.“ Eine Plattform, auf der Lehrer sich austauschen können, hat die Musikschule bereits eingerichtet.

Trotz allem: Corona bedeutet auch für die Musikschule vor allem Begrenzung, Verzicht, Abstriche. Als sehr schmerzlich wurde empfunden, dass der Musikschulwettbewerb bereits entfallen musste – „Wir hatten das sehr aufwendig vorbereitet. Uns hat das Herz geblutet.“ Auch der Tag der offenen Tür der Musikschule im Mai, das Konzert des Jugendsinfonieorchesters im Juni wurden bereits gestrichen.

„Die neue Situation“, sagt Ulrike Goldau, „fordert uns sehr heraus. Wir haben aber unglaublich viele neue und kreative Ideen. Die Kollegen müssen sich nur auf eine andere Weise zusammenraufen.“

Ob Schüler oder Lehrer der Herrenberger Musikschule in den nächsten Wochen vielleicht sogar ein Online-Konzert geben werden – das ist noch offen. Hoffnung macht Ulrike Goldau aber die Aktion, bei der sonntags Musiker in ganz Deutschland auf ihren Balkonen das Finale aus Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie spielten: „Freude, schöner Götterfunken“. „Ich habe eben ein Video bekommen“, sagt die Musikschulleiterin, tatsächlich sehr froh, „von einigen unserer Schüler, die mitgemacht haben.“

 

Gäubote 08. April 2020                                 Thomas Morawitzky

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