Pressestimmen

Pandemie kann Freundschaft nichts anhaben

Gäubote, 19.07.2022

Viktor Oswald dirigiert beim Partnerschaftskonzert Tarare/Amplepuis. GB-Foto: Schmidt
Viktor Oswald dirigiert beim Partnerschaftskonzert Tarare/Amplepuis. GB-Foto: Schmidt

Sie hatten nur vier Stunden Zeit fürs gemeinsame Proben und dennoch schmiedeten sie am Samstag ein Partnerschaftskonzert wie aus einem Guss. Bereits seit neun Jahren pflegen der Accordéon Club Amplepuis-Tarare und die mit der Musikschule kooperierenden Akkordeonorchester Herrenberg (AOH) einen innigen Austausch. Diese gewachsene, nur durch die Pandemie unterbrochene Routine machte sich bei den „Akkordeonklängen“ in der Musikschule aufs Entzückendste bemerkbar. „Dadurch, dass man sich gut kennt, ist es ein Selbstläufer“, freute sich Waltraud Epple-Holom, die abwechselnd mit ihrer französischen Kollegin Marie-Thérése Berraud und dem Dirigenten des AOH, Viktor Oswald, das über 20-köpfige, französisch-deutsche Gemeinschafts-Akkordeonorchester leitete.

Auf dem Programm stand ein Stückchen Weltmusik. Klänge aus Europa, Asien und Amerika brachten dem Publikum die Akkordeonmusik in ihrer ganzen Vielfalt nahe – ob es sich nun um Originalmusik oder Arrangements, klassische E- oder Unterhaltungsmusik handelte. Mit dem epischen „Welcome to Venice“ aus der Feder des Trossinger Komponisten Hans-Günther Kölz boten die Musiker gleich zu Beginn ganz großes Kino, um dann den Beweis anzutreten, dass es kein klassisches Sinfonieorchester benötigt, um in der Zuhörerschaft Begeisterung für Schostakowitschs skurrilen „Walzer Nr. 2“ zu entfachen. Ehe man sich’s versah, ging es auch schon nach Mittelamerika an den Golf von Mexiko: Pure Spielfreude verströmte das deutsch-französische Orchester mit dem Ritchie-Valens-Hit „La Bamba“, während die Beine im Saal zu zucken begannen. Auch Beethovens Fünfte wusste zu gefallen – und zwar in einer Bearbeitung von Josef Retter, der das berühmte Schicksalsmotiv mit einem ordentlichen Beat unterlegte. Eine treibend-lässige Gratwanderung, die das Publikum fasziniert verfolgte und mit frenetischem Beifall quittierte.

Wäre da noch – nicht hinwegzudenken aus der zeitgenössischen Akkordeon-Literatur – Astor Piazzolla. Statt des zu Tode gespielten „Libertango“ gab es in der Musikschule den weniger bekannten zweiten Satz der Suite Troileana zu hören – auch dieser gespickt mit den scharf angerissenen, latent-aggressiven Piazzolla’schen Akkorde, gewürzt mit einem Hauch Melancholie samt Dissonanzen. Wunderbar!

Den Geist des antifaschistischen Widerstands beschworen die Musiker dann mit der Partisanen-Hymne „Bella Ciao“: Wie ein mächtiger Zug setzte sich das Orchester zum mitreißenden Accelerando in Bewegung. Aber auch ein bisschen Humor musste sein: Schelmisch schlichen die Akkordeonspieler um die tickenden Klopfgeräusche des Schlagzeugs im „Verrückten Wecker“. Und dann war man auch schon angekommen beim wohlbekannten „Alten Fieber“ der Toten Hosen. Gefolgt vom dramatischen „New York Tango“ – einem hörbar an Piazzolla geschulten und mit allerlei Finessen versehenen Thriller für Akkordeon.

Stehende Ovationen waren dem Orchester nach dieser Glanzleistung sicher. „Wir können’s noch“ – diesen Beweis hatte man nach zwei Jahren Pandemie zweifelsohne erbracht. Und so freuen sich die Musiker bereits auf die nächste Begegnung im Jahr 2023.

Das zehnjährige Bestehen der Orchester-Partnerschaft wird man dann gemeinsam feiern können. „Wir haben“, berichteten zwei französische Akkordeonspieler, „eine sehr herrliche Freundschaft aufgebaut.“ Diese besiegelte man mit der traditionellen Zugabe: „Friends forever“.

Gäubote, 19.07.2022
Nadine Dürr

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