Pressestimmen

„Un Duo“ versöhnt das Publikum

Hinreißend, ein toller Abend! Das Saxofon, ein fantastisches, ein erstaunliches Instrument! Und die in Stuttgart lebende, ehemals in Herrenberg unterrichtende Lena Brendel – eine Meisterin ihres Instruments! Solche Worte sind am Schluss eines Konzerts zu hören, das sich ganz anders gestaltet hat als von den zahlreichen Besuchern im Studio der Musikschule erwartet: angekündigt war das „Sonus-Quintett“ – jedoch wartet nun Musikschulleiterin Ulrike Goldau mit einer schlechten Botschaft auf: drei von fünf „Sonus“-Mitgliedern sind über Nacht erkrankt, nachdem sie gestern noch hier geprobt haben.

Die gute Nachricht aber: Lena Brendel hat auch eine Duo-Partnerin, die in Tübingen lebende Pianistin Mildred Derenty-Camenen. Nun betritt also „Un Duo“ das Podium und begeistert das Publikum mit einem Programm, das Klassisches und Jazz zum vollkommenen Genuss vereint. Schon mit den ersten Takten von „Salt Lines“, einer Komposition von Jenni Watson, sind Gemüt und Herzen der Zuhörer erobert. Was anfänglich befürchtet wurde, tritt nicht ein: Keiner verlässt den Saal. Im Gegenteil: Man ist geneigt, die Augen zu schließen, sich sanften Meereswellen zu überlassen, den meditativen Blick auf eine imaginäre Meeresoberfläche zu richten, geleitet von der Melodie des Saxofons, die vom Klavier andächtig untermalt wird.

Dann kommt der große Romantiker Robert Schumann zu Ehren, und mit ihm seine Frau Clara, die begabte Pianistin und Komponistin, deren Karriere hinter den häuslichen Pflichten entschieden zu kurz kam. Die drei Romanzen Opus 94 für Oboe (oder Klarinette, Violine) und Klavier sind zu hören. Die erste ist langsam und besinnlich; das Sopransaxofon gibt dem Stück eine ungewohnt kraftvolle Ausprägung. Diese Kraft, dieser volle Ton füllt den Raum fast bis zum Bersten, und gerade bei der zweiten, Clara als Geschenk gewidmeten Romanze, meint man im kraftvollen Ausdruck den Anklang eines zwiespältigen Idylls im Hause Schumann zu hören: Die zuweilen recht lieblichen Melodien erhalten durch das Saxofon einen energischen Ausdruck. Die dritte Romanze ist ein wenig rätselhaft; ungewöhnliche Melodien erzeugen eine eigenartige Stimmung.

Mit „And everything is still“ von Andy Scott schließt der erste Teil – eine Melodie zum Innehalten, sparsam vom Klavier begleitet. Man bewundert und genießt, wie im intensiven Miteinander der Instrumente eine wohlige Intimität entsteht.

Nach der Pause ersetzt Lena Brendel das ungebogene Sopran- durch ein Altsaxofon mit der vertrauten, gebogenen Form; das klingt nun tiefer, ein wenig schwerer. Und gefühlvoll: „Je te veux“, ich will dich, von Eric Satie, ist ein Liebeslied, das das Pariser Flair und die beflügelte und zugleich schwermütige Stimmung vollendet und wie in einem alles vereinenden Tanz anklingen lässt.

Damit unternimmt Lena Brendel zugleich eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert, als der Belgier Adolphe Sax das Saxofon erfand und 1846 patentieren ließ. Er lebte in Paris, wo das Instrument, das man heute eher mit Jazz verbindet, sehr häufig bei Komponistinnen zum Einsatz kam, so bei Paule Maurice: Die „Tableaux de Provence“, fünf Landschaftsbilder, sind eine Folge von schnellen, wirbelnden und besinnlichen Passagen. Es erklingen wilde Tänze von jungen Mädchen, etwas melodiöser der Tanz der „Bohémienne“. Im großartigen Zusammenspiel beider Instrumente wird eine Hornisse zum Leben erweckt. Dabei ist auch eine Lieblingspassage Lena Brendels, langsam; die Gedanken weit wegtragend, scheint es ganz tief aus ihrem Inneren hervorzuströmen.

Die „Fantaisie sur un thème original“ von Jules Demersseman ist eines der ersten für Saxofon komponierten Werke. Die Facetten des Instruments entfalten sich in dem teils temperamentvollen, kontrastreichen Stück auf unterhaltsame Weise.

„Ich spiele extrem gerne Jazz“ – was man im Laufe des Konzerts erahnte, offenbart die Saxofonistin, als sie die Zugabe ankündigt: „Body and Soul“ von John W. Green ist eine vollendete Vereinigung von Melodie und Harmonie, schön, zartschmelzend, gefühlsselig, etwas zum Hineinlegen – so wunderbar verwöhnt, möchte man fast widerwillig den Heimweg antreten. Beifall und viel Lob sind zu hören: Innerhalb eines halben Tages ein ganz neues Programm in neuer Besetzung auf die Beine zu stellen, das muss man erst mal hinkriegen! Auch darin ist es ein Abend der guten Botschaften: Der Termin hat gerade noch so gepasst, bevor Mildred Derenty-Camenen in den Mutterschutz geht. So erlebt man, dass sich alles ständig verändert und dabei neue Entdeckungen möglich werden. Gewiss hat mancher einen neuen Zugang zum Saxofon gefunden, und im Übrigen darf man sich schon darauf freuen, dass der Auftritt des „Sonus-Quintetts“ baldigst nachgeholt wird.

Gäubote, 21.10.2024
Gabriele Pfaus-Schiller

 

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